Das Antiphospholipid-Syndrom (APS)

Von Admin

Unter den Autoimmunerkrankungen ist das Antiphospholipid-Syndrom mit bis zu 6% das häufigste. Bevorzugt sind Frauen jeglichen Alters betroffen.

Folgende klinische Krankheitsbilder lassen die Vermutung aufkommen, dass ein APS vorliegen könnte: rezidivierende Spontaborte, fetale Dystrophie, Totgeburten, arterielle und venöse Thrombosen, Lungenembolien, Herz- und Hirninfarkte, Niereninfarkte, Thrombozytopenien und hierdurch bedingte kutane Einblutungen.

Die Bezeichnung Antiphospholipid-Syndrom ist irreführend, da die fraglichen Antikörper nicht gegen Phospholipide gerichtet sind, sondern gegen Phosphatid-Proteinkomplexe. Folgende Proteine stellen die Matrix für diese Komplexe dar: ß-2-Glykoprotein 1, Cardiolipin, Prothrombin, Faktor XII, Protein C, Protein S sowie Annexin V.

Von großer Bedeutung ist die Rolle des ß-2-Glykoprotein 1 bei der Entstehung eines APS. Dieses Protein, dessen physiologische Funktion unklar ist, zirkuliert als Monomer im Plasma. Mit der 5. Domäne des Proteins bindet es sich an anionische Phospholipide in der Zellmembran von endothelialen Zellen, z.B. an Thrombozyten und Monozyten. Die Bindung an die Phosphatide führt zu einer Konformationsänderung des Proteins. Hierdurch wird in der 1. Domäne des Proteins eine Bindungsstelle für Antiphospholipid-Antikörper freigesetzt. Die Folge ist eine stabile Dimerisierung des ß-2-Glykoproteins 1. Diese Dimere aktivieren verschiedene Rezeptoren der Zellmembran mit dem Effekt, dass es u.a. zu einer Aktivierung der Thrombozyten kommt. Die nun gebildeten thrombozytären Aggregate können kleinste Gefäße verstopfen, was zu arteriellen Verschlüssen im Gehirn führt. Im MRT werden diese Schäden dann als lakunäre Infarkte erkannt. Später kommt es dann möglicherweise zum Ausfall größerer Hirnpartien durch Verschlüsse wichtiger großer hirnversorgenden Arterien.

Die thromozytären Aggregate können jedoch auch die Gerinnung aktivieren, so dass venöse Thrombosen entstehen. Bevorzugt sind hier die Tiefen Beinvenen und Beckenvenen betroffen. Diese Thrombosen sind eine große Gefahr für eine – möglicherweise tödliche – Lungenembolie. Selten kann es zu einem Verschluss der v. Portae kommen, was zu einem Pfortaderhochdruck führt.

Neben den Antikörpern gegen das ß-2-Glykoprotein 1 spielen weitere Antikörper gegen Phosphatid-Proteinkomplexe eine große Rolle in der Diagnostik des APS: das Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin-Antikörper, Anti Annexin V-Antikörper ferner Antikörper gegen Prothrombin, Phosphatidyl-Serin, Phosphatidylcholin und Phosphatidsäure.

Das Lupus-Antikoagulans ist ein APA, der erstmalig bei Patienten mit einem Lupus disseminatus gefunden wurde. Dieser Antikörper reagiert mit phosphatidhaltigen gerinnungsaktiven Proteinen, die in den Reagenzien für den Quickwert und die aPTT enthalten sind und blockiert ihre Funktion. Hierdurch verlängern sich die Gerinnungszeiten, was zu einer scheinbaren Erniedrigung des Quickwertes und einer pathologischen aPTT führt. Dieser Befund führte zu der Vermutung, dass es sich um einen gerinnungshemmenden Faktor handle, der Blutungen auslösen könnte. Deswegen wurde von einem Lupus-Antikoagulans gesprochen. Im Nachherein stellte sich jedoch heraus, dass dieser APA ein starkes thrombogenes Potenzial hat.

Im Serum von Patienten, die an einem SLE litten, wurden regelmäßig falsch positive Reaktionen mit einem Syphilis-Test, der Cardiolipin als Target enthält, gefunden. Diese führte zu der Entdeckung von Anti-Cardiolipin-Antikörpern, die ebenfalls zu den APAs gehören.

Der Name Cardiolipin leitet sich aus seiner Herstellungsart her. Es wird aus Herzmuskelzellen, die reich an Mitochondrien sind, gewonnen.

Cardiolipin besteht aus 2 Molekülen Phosphatidat, die mit einem Molekül Glyzerin verbunden sind. Cardiolipin kann im Gegensatz zu anderen Phosphatiden 4 Moleküle Fettsäuren binden.

Cardiolipine kommen in der Membran von Bakterien (z.B. Treponema pallidum) und Mitochondrien vor. Sie sind Bestandteil der inneren Membran der Mitochondrien in Verbindung mit dem ß2 Glykoprotein1.

Thrombogene Antikörper gegen Cardiolipin sind immer gegen den Komplex aus Cardiolipin und ß2-Glykoprotein1 gerichtet.

ß2Glykoprotein1 – auch als Apolipoprotein H (APOH) bezeichnet – ist ein Protein, das viele Aufgaben übernehmen kann (Der Name leitet sich von der elektrophoretischen Position her. Das Protein findet man im ß2-Gipfel der Elektrophorese auf Position1.).

Eine seiner Funktionen ist die Bindung mit Cardiolipin. Nach erfolgter Bindung entsteht eine starke Änderung der Konformation beider Komponenten. In der 5. Domäne des APOH findet sich eine Bindungsstelle für anionische Phosphatide, an der sich Cardiolipin anlagert.

APOH hat u.a. eine antikoagulatorische Potenz, und spielt offenbar eine wichtige Rolle in der Regulation der Thrombozytenaggregation und der Interaktion zwischen Thrombozyten und aktivierten Gerinnungsfaktoren.

Die 1. Domäne von APOH wird gezielt von den Antikörpern angegriffen, die beim Antiphospholipid-Syndrom eine wesentliche Rolle spielen. Durch Blockade der antikoagulatorischen Funktion des APOH entsteht so ein Risiko für Thrombosen, Embolien und Schwangerschaftskomplikationen. Das Risiko ist dann am höchsten, wenn Lupusantikoagulanzien, Antikörper gegen Cardiolipin und APOH gemeinsam nachweisbar sind.


Weitere Antikörper, die zu den Antiphospholipid-Antikörpern zählen sind:

  1. Antiphosphatidyl-Serin
  2. Antiprothrombin
  3. Antiphosphatidyl-Cholin
  4. Antiphosphatidyl-Aethanolamin
  5. Antiphosphatid-Säure
  6. Antiannexin V


Wichtig ist die Bestimmung dieser APAs bei negativem Ergebnis für Anti-ß2-Glykoprotein 1 und Anticardiolipin, da diese APAs auch alleine beim APS vorkommen können.

Antikörper gegen Annexin V sind häufig mit Frühaborten assoziiert. Antikörper gegen Phosphatidyl-Serin sollen mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle verbunden sein.

Die erweiterte Bestimmung des APA-Spektrums verbessert die diagnostische Spezifität.

Neben den klassischen ELISA-basierten APA-Bestimmungen wurden neue Testsysteme entwickelt, bei denen alle Zielantigene auf einem Träger fixiert sind. Bei diesem Line-Immuno-Dot können gezielt die AP-Antikörper und ihre Klasse ermittelt werden. Diese Teste sind hilfreich bei der Risikoermittlung von venösen und arteriellen Thrombosen.

Die Behandlung des APS gestaltet sich sehr schwierig. Wichtig ist es, eine suffiziente Thrombembolieprophylaxe zu betreiben. Bei leichteren Fällen mit niedrigen APA-Titern ist eine Therapie mit ASS oft ausreichend. Bei Patienten mit Lupus und sekundärem APS kann eine Thromboseprophylaxe mit Hydroxychloroquin versucht werden.

Ist jedoch bereits ein thrombembolisches Ereignis eingetreten, dann muss eine lebenslange Antikoagulation mit Phenprocoumon erfolgen. Der Einsatz von NOAKs verbietet sich, da mehrfach über Re-Thrombosen während einer NOAK-Therapie berichtet wurde.

Bei Schwangeren mit positiven Antiphospholipid-Antikörper-Befund muss zur Vermeidung von Aborten, kindlichen Entwicklungsstörungen und Totgeburten eine duale Antikoagulation mit ASS und einem LMW-Heparin durchgeführt werden. Eine engmaschige hämostaseologische Überwachung ist zwingend erforderlich, um eine ggf. auftretende Aktivierungen des Gerinnungssystems rechtzeitig erkennen und gegensteuern zu können.

Eine Therapie mit Methotrexat kann zu einer Minderung des APA-Titer führen.

Der Einsatz von Rituximab ist aus unserer Sicht nicht erfolgversprechend. Zwar wird die Produktion von B-Lymphozyten erfolgreich unterdrückt. Die Produktion von pathogenen APAs jedoch nicht.

Weitere therapeutische Maßnahmen, die versucht worden sind, sind die therapeutische Plasmapherese, um die pathologischen APA zu entfernen, und die hochdosierte Gabe von Immunglobulinen, um die Produktion der APA zu unterdrücken.

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